Stefi Talman – The Art of Walking.

Vom Absatz zur Absicht: Stefi Talman veredelt den Alltag

Es gibt Schuhe, die man trägt, und es gibt Schuhe, die einen begleiten – nicht nur über Asphalt oder Parkett, sondern durch Zeit und Erinnerung. Im Museum für Gestaltung Zürich stehen derzeit 116 Paare, 80 davon werden in einer Vitrine präsentiert, sorgfältig aufgereiht wie stille Porträts, Zeugnisse von vierzig Jahren schöpferischer Arbeit von Stefi Talman. Sie erzählen nicht nur von Mode, sondern von einer Haltung, die in jedem Schritt mitschwingt: einer Haltung, die Beständigkeit, Intelligenz und Leichtigkeit verbindet. Talman hat das Gehen zur Kunst gemacht, ohne dass ihre Kunst je theatralisch wäre. Die ikonische «ZIP»-Bottine, die sie einst berühmt machte, ist keine Masche, sondern ein Instrument der Präzision. Jedes Modell – ob niedrig, elegant, verspielt oder streng – ist Ergebnis einer feinen Balance zwischen Form und Funktion, zwischen Pragmatik und poetischem Gestus. Ihre Schuhe fordern keine Aufmerksamkeit, sie verdienen sie: weil sie gut sind, weil sie tragen, weil sie Zeit überdauern. Zürich ist in diesem Werk allgegenwärtig, wenn auch unscheinbar. Die Stadt, nüchtern, klar, aber voller versteckter Schönheit, spiegelt sich in den Linien und Proportionen der Schuhe wider. Talman entwirft nicht für flüchtige Trends; sie entwirft für die Menschen, die diese Stadt und ihre Eigenheiten kennen, für Frauen, die in der Öffentlichkeit ebenso souverän wie im Stillen wirken wollen. Ihre Designs sind ein Dialog zwischen der urbanen Strenge Zürichs und dem spielerischen Mut, den nur echte Handwerkskunst zulässt.

Die Aufnahme ihrer Arbeiten in die Swiss Design Collection ist mehr als eine Ehrung. Sie markiert eine Chronik des Alltäglichen, die zugleich Kunst ist. Talman schafft Objekte, die wir benutzen, auf denen wir stehen, durch die wir gehen – und die dennoch die Zeit überdauern. Man kann die Schuhe als stille Chronik einer Schweizer Designtradition lesen, in der Ästhetik und Handwerk untrennbar verbunden sind. Leder, Reissverschluss, Absatz – jedes Material trägt Bedeutung, jede Linie ist durchdacht. Talman inszeniert keine Mode, sie inszeniert Erfahrung: eine Art, die Welt zu betreten. Wer durch die Ausstellung wandelt, spürt, dass Talman mehr entwirft als Schuhe. Sie entwirft Bewegungen, Begegnungen, Momente des Innehaltens. Jedes Paar scheint zu fragen: Wie möchten wir uns bewegen? Welche Spuren wollen wir hinterlassen? Und was bedeutet es, in einer Welt, die ständig eilt, Schritt für Schritt zu gehen?

Ihre Arbeit ist leise revolutionär: Sie behauptet, dass Mode nicht laut sein muss, um wirksam zu sein; dass Eleganz und Funktion nicht gegeneinander stehen; dass das Gewöhnliche, sorgfältig gestaltet, aussergewöhnlich wird. Sie zeigt, dass Design eine Sprache sein kann – subtil, konsistent, poetisch. Und sie beweist, dass Zeitlichkeit in der Mode nicht nur ein Schlagwort ist, sondern ein Gestus: Geduld, Präzision, Bewusstsein. Am Ende verlässt man die Vitrinen mit dem Eindruck, dass Talman nicht einfach Schuhe geschaffen hat. Sie hat Rituale entworfen: das Ritual des Gehens, des Ankommens, des Verweilens. Ihre Schuhe tragen Geschichten von Selbstbewusstsein und Individualität. Und sie laden uns ein, selbst langsamer, bewusster, eleganter zu gehen – durch Zürich, durch Zeit, durch das Leben selbst.

Stefi Talman
Oberdorfstrasse 13
8001 Zürich
044 252 81 10 stefitalman.ch