Nötzli×Caderas – Alles ist möglich!
Design & Kunst
Laura Nötzli, Anna Caderas und die Unbekannte X
Im Atelier von Nötzli Caderas treffen Konzept und Handwerk aufeinander. Die beiden Zürcher Innenarchitektinnen und Szenografinnen entwerfen Räume, Bühnen und Orte der Begegnung – mutig, verspielt und mit einer grossen Leidenschaft für das Unbekannte.
Ein Spaziergang an der Schipfe ist immer eine kleine Zeitreise. An kaum einem anderen Ort ist das mittelalterliche Zürich derart präsent. Man kann förmlich spüren, wie der Hufschmied durch die Gassen geht, einen Gaul an der einen, sein Werkzeug in der anderen Hand. Doch dann öffnet man die Tür zu einem der Häuser und findet sich schlagartig in der Gegenwart wieder. Zum Beispiel an der Schipfe 33, wo man durch den silbernen Flattervorhang das Reich von Nötzli × Caderas betritt.
Euer Atelier ist wunderschön an der Limmat gelegen, in dem Haus, in dem 1674 die erste Zürcher Wochenzeitung erschien. Was bedeutet dieser Ort für euch
Anna Caderas: Uns ist die Quartierpflege sehr wichtig und hier ist es fast wie in einem Dorf. Man kennt die Leute, und Handwerk spielt bis heute eine zentrale Rolle, wie in unserer Arbeit ja auch. Ich bin ein paar Häuser weiter aufgewachsen und es ist toll, einen neuen Zugang zu diesem Ort zu haben.
Laura Nötzli und Anna Caderas lernten sich im Studium in Basel kennen, arbeiteten anschliessend im gleichen Büro und suchten sich schliesslich während Corona zusammen ein Atelier. Spontan kam der Entschluss zur gemeinsamen Selbstständigkeit. Corona als Chance.
Durch die Verwendung von Holz, Textilien und warmen Farb-tönen wird den neuen Räumlichkeiten eine behagliche Atmos-phäre verliehen. Der Holzkubus kann sowohl als Besprechungstisch dienen, als auch mit wenigen Handgriffen zu einer Sitzbank umfunktioniert werden. Fotografie: Nötzli Caderas
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Euer Portfolio ist wahnsinnig vielseitig, ihr habt in der Vergangenheit vom Grossraumbüro über die Kunstinstallation bis zum Bühnenbild alles gemacht. Wie würdet ihr eure Ästhetik beschreiben?
LN: Das werden wir oft gefragt, aber am Ende soll es ja für den Menschen stimmen, der lebt und sich bewegt in den Räumen. Einen roten Faden sehen wir aber schon. Wir sind sicher nicht konventionell unterwegs und möchten, dass unsere Projekte praktisch und nachhaltig sind.
AC: Wir mögen unkonventionelle Materialien und Kontraste. Oft sind das rohe Materialien, die wir mit poppigen Elementen, mit kräftiger Farbe brechen. Wir mögen es, Dinge zweckzuentfremden oder weiterzuentwickeln. Wenn ein Spiegel plötzlich magnetisch ist, zum Beispiel.
Habt ihr ein Lieblingsmaterial?
AC: Kein Material, aber die Farbe Silber zieht sich durch die meisten unserer Projekte.
LN: Neue Materialien zu entdecken und uns zu überlegen, wie wir sie einsetzen könnten, macht uns grossen Spass. Wir wollen mit unserer Materialwahl überraschen und Grenzen ausloten.
AC: Wir wollen offen bleiben und möglichst vieles selbst machen. Wir lieben es zu experimentieren!
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Welche gesellschaftlichen Entwicklungen beeinflussen eure Arbeit derzeit am meisten?
AC: Wenn wir es auf ein paar Schlagwörter runterbrechen müssten: Kreislaufwirtschaft, Zugänglichkeit für alle oder Feminismus spielen eine grosse Rolle bei uns, ob im Designprozess oder in der Realisierung.
LN: Wenn man Raum gestaltet, trägt man unserer Meinung nach eine gewisse Verantwortung.
Das «×» in ihrem Namen ist für Nötzli und Caderas nicht einfach eine moderne Art, ihre Kollaboration kundzutun. Sie verstehen es einerseits als die Unbekannte X, die ihre Furchtlosigkeit gegenüber neuen Herausforderungen unterstreicht. «Wir würden vermutlich kein Projekt ein zweites Mal genau gleich machen», sagt Caderas, «was wir schon können und durchschauen, langweilt uns.» Andererseits ist das «×» die Multiplikation. Nötzli: «Zusammen sind wir besser. Erst im Austausch wird eine Idee gut.»
Was macht einen Raum gut? Ist er jemals fertig?
LN: Räume sind für Menschen da. Wenn man es schafft, sie zu verstehen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen und damit gestaltet, dann wird ein Raum gut. Und nein, ein Raum ist nie fertig, Menschen nutzen ihn oft anders als ursprünglich gedacht und Bedürfnisse verändern sich.
AC: Natürlich versuchen wir, diese Veränderungen mitzudenken und eine flexible Nutzung zu ermöglichen.
Sind das ähnliche Gedanken, wenn man ein Bühnenbild gestaltet oder ein Café einrichtet?
LN: Ja, ich denke schon. Sowohl ein Besuch in einem Café als auch ein Theaterstück haben eine Dramaturgie und sowohl die Caféeinrichtung als auch das Bühnenbild müssen umgebaut oder verschieden genutzt werden können. Auf der Bühne präsentieren wir zwar eine «Fake-Welt», aber am Ende muss diese trotzdem funktionieren, auch wenn es ganz andere Funktionen sind als im echten Leben. Und in einem Café ist es uns vielleicht wichtig, dass auch der WC-Gang zum Erlebnis wird.
Während der Swiss Dance Days war das Festivalzentrum im Stall 6 an der Gessnerallee das pulsierende Herz der Aktivitäten. Fotografie: Nötzli Caderas
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Habt ihr Lieblingsprojekte?
AC: Immer Ende Jahr ziehen wir Bilanz und erstaunlicherweise können auch Projekte, die in der Entstehung mühsam waren, retrospektiv besonders toll sein. Es ist schwierig, ein Lieblingsprojekt zu benennen, auch weil wir in den knapp fünf Jahren, die es uns gibt, eine grosse Entwicklung durchgemacht haben. Wir setzen uns jedes Jahr ein Motto. Im ersten Jahr war das «zu allem ja sagen», im zweiten «Nein sagen!» – Ich glaube, das zeigt ein bisschen, wie wir funktionieren. Dieses Jahr gilt: «Alles ist möglich!»
LN: Natürlich lieben wir Projekte, bei denen wir viel Gestaltungsfreiheit haben. 2024 zum Beispiel die Swiss Dance Days, das war ein Festival im Stall 6 mit wenig Budget und Zeit, dafür mit viel Vertrauen in unsere Arbeit. Mit geschwungenen Tischen und Bänken haben wir ein neues Zusammenkommen ermöglicht.
Angesprochen auf Traumprojekte für die Zukunft kommen die beiden ins Schwärmen. Nötzli erzählt von einem Kulturhaus, wo alles zusammenkommt, wo gearbeitet, gekocht, ausgestellt wird. Im Kleinen haben sie dieses bereits: Im untersten Stock der Schipfe 33 befindet sich ein verblüffend dreieckiger Raum, in dem sie unter dem Namen «zhart» Ausstellungen realisieren. Sechsmal im Jahr werden Kunstschaffende eingeladen, den Raum für einen Abend zu bespielen. Ein Abend, also Vernissage und Finissage in einem.
Caderas’ Traumprojekt ist etwas bodenständiger: Sie möchte ein Ferienhaus umbauen. «An ein Ferienhaus hat man andere Ansprüche als ein Zuhause», erklärt sie, «da kann die Aufenthaltsdauer kürzer sein und damit die Gestaltung mutiger, weil einem der Ort nicht verleidet. Ich möchte mich von einem anderen, nicht-urbanen Ort inspirieren lassen, auf neue Materialitäten reagieren!»
Eine ganz praktische Frage zum Schluss: Habt ihr einen Tipp, der eine Wohnung im Handumdrehen gemütlicher macht?
AC: Licht. Indirektes Licht und kleine Lämpchen.
LN: Geschlossene Regale, um das Chaos zu verstecken. Genug Stauraum.
Beide: Und Kunst!
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Nötzli Caderas
Schipfe 33
8001 Zürich
hallo@noeztlicaderas.ch noetzlicaderas.ch