Leimenegg im Park – Zwischen Geschichte und Gegenwart

Highlights

10.12.2025
Frank Joss

4 Minuten

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Leimenegg im Park – Zwischen Geschichte und Gegenwart
Fotos: Claudia Luperto Fotografie, Winterthur

Fotos: Claudia Luperto Fotografie, Winterthur

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Oder von der wunderbar erträglichen Leichtigkeit des Seins

Am Fusse des Rebhangs erheben sich die Villen der Brüder Bühler, um 1870 vom Architekten Ernst Jung erbaut. Sie sind Zeugnis einer Wohnidee, in der Haus und Garten als Einheit gedacht wurden. Neher & Mertens verwoben die weitläufigen Gartenanlagen so, dass zwei individuelle Einheiten harmonisch zusammenkamen, ohne ihre Eigenständigkeit zu verlieren. Mit der Zeit zerfiel das Ensemble: Parzellen wurden abgetrennt, Nebengebäude verschwanden, die Bahntrasse schnitt den Süden ab – vom ursprünglichen Plan blieb kaum etwas sichtbar.

Erst bei der neuen Verdichtung zeigte sich, dass nur eine ganzheitliche Betrachtung den historischen Charakter wahren kann. Koalitionen über Parzellengrenzen hinweg, Abstimmungen mit Behörden und Denkmalschutz machten das Projekt möglich. Drei neue Baukörper fügen sich nun so ein, dass die Räume zwischen den Villen offen bleiben, Ausblicke unverstellt, alte Baumgruppen und der Gartenpavillon erhalten sind. Ein Tor verweist noch auf den längst verschwundenen Weg, grosszügige Blickbeziehungen spiegeln die einstige Anlage, und selbst das von Franz Scheibler 1937 entworfene Haus blieb erhalten. Strut Architekten und der Landschaftsarchitekt Beat Nipkow interpretieren das Ensemble neu: weite Sichtachsen, geschwungene Wege, Mauern und ein Wasserbecken verbinden Gegenwart und Vergangenheit, lassen die mächtigen Bäume wirken und die Grosszügigkeit der Anlage wieder aufleben.

Wohnen im Park 
eine kleine Hommage an die Sinnlichkeit in Grün

Im üppigen Grün nehmen sich die Neubauten mit ihren dunklen Holzfassaden zurück. Sie artikulieren  im wörtlichen wie übertragenen Sinn  ihre untergeordnete Haltung gegenüber den historistischen Villen am Hang. Die Baukörper sind so gegliedert, dass die Volumen gebrochen werden, und dennoch bleibt ein Massstabssprung, der sich in den grosszügigen Fenstern zeigt: ein Verweis auf heutige Wohnstandards und auf den Wunsch, die privilegierte Lage maximal auszukosten.

Die Beziehung zum Park ist sorgfältig choreografiert. Beim Betreten der Häuser wird man ins dämmrige Innere geführt: ein Entrée mit Waschbecken und Garderobe, ein enger Raum, der sich erst unter dem Sog des Lichts öffnet. So wird Grosszügigkeit inszeniert. Überlagernde Grundrissschichten verschränken die Haupträume, Eckverglasungen und frei in den Raum ragende Körper aktivieren Diagonalen; die orthogonale Ordnung bleibt bestehen, wird aber dynamisiert. Unterschiedliche Lichtcharaktere verleihen den Räumen eine stille Beweglichkeit.

Der private Aussenraum ist Teil des Innenraums  eine geschützte Öffnung zum Park. Man bleibt im Haus und ist doch draussen. Die fast raumhohen Fenster erzeugen das Gefühl, direkt im Grün zu stehen, und bewahren dennoch Distanz: Es ist kein persönlicher Garten, sondern ein Park, der allen gehört.

Anders das Pavillonhaus: Die obere Wohnung ist wie eine moderne Villa allseitig organisiert. Ein S-förmiger Wohnraum greift mit einer grosszügigen, überdachten Terrasse in den Garten. So übernimmt das Haus eine Scharnierfunktion. Es gehört zu den beiden weiteren Neubauten  und bildet zugleich mit den Gründerzeitvillen und dem Haus Sädel ein Ensemble um den terrassenartigen Aussenraum. Damit gelingt die Gliederung in eine obere Zone der Villen und eine untere der anspruchsvollen, doch nicht mehr gleichermassen grosszügigen Wohnhäuser  ohne klare Grenze. Beide Seiten profitieren: die herrschaftlichen Anwesen oben und das Wohnquartier unten, das von übersteigerten Ansprüchen entlastet wird.

Verdichtung in Villenquartieren ist stets heikel: Häuser und Gärten sind ein sensibles Gefüge. Freiräume lassen sich nicht einfach bebauen, ohne das Gleichgewicht zu stören. Hier aber wurde  dank Koalitionen über Parzellengrenzen hinweg  eine Lösung gefunden, welche die Situation transformiert und zugleich die historischen, zu Recht geschützten Qualitäten bewahrt. Dass einst schon grenzüberschreitend geplant wurde, erleichterte das Vorgehen  und macht diesen Fall womöglich zum Vorbild für andere.

Roger Studerus, Felix Rutishauser,  Peter Kunz (v.l.n.r.)

Roger Studerus, Felix Rutishauser, Peter Kunz (v.l.n.r.)

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Drei Fragen an Strut Architekten, gestellt von Frank Joss.

Wie lässt sich ein Ort so weiterbauen, dass er nicht nur wächst, sondern auch erinnert?
Die Verdichtung nach innen ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe. Der respektvolle Umgang mit dem Vorhandenen ist ein zentrales Anliegen in unserer Arbeit. Jeder Eingriff verändert die bestehende Situation und muss daher mit Bedacht getroffen werden. Beim Projekt an der Leimeneggstrasse
sehen wir die Neubauten als Ergänzung zum histo­rischen Bestand, welche diesem weiterhin die Hauptrolle überlässt und zugleich eine eigene Kraft entwickelt.

Was bedeutet es, Raum freizuhalten – nicht aus Leere, sondern aus Respekt
Wenn gebaut wird, entsteht ein Zwischenraum. Dieser kann eng oder weit sein, kann trennen oder verbinden. Wir haben die Neubauten bewusst nicht maximal an die Ränder geschoben, sondern das Alte und das Neue so verwoben, dass ein Mit­einander entsteht. Wichtig war eine Verzahnung mit dem Freiraum und der Topografie sowie das Bewahren der vorhandenen Sichtachsen.

Worin liegt die Poesie eines Weges, der verschwunden war – und nun in neuer Geste zurückkehrt?
Es galt die vorhandenen Qualitäten zu stärken und teilweise wieder zu entdecken. Beim fussläufigen Beschreiten der brezelförmigen Wege im Landschaftsgarten verändert sich immer wieder die Perspektive. Der Blick in die Umgebung wird gezielt gelenkt. Ein wunderbares Mittel der Inszenierung, das wir in den Wohnungen weitergeführt haben.

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Strut Architekten SIA BSA
Neuwiesenstrasse 69
8400 Winterthur
052 213 33 60 strut.ch